Galerie Stephanie Jaax

Aufmarschiert!

 „Was glauben Sie dass ein Künstler ist? ... sie/er ist ein politisches Wesen, das sich ständig der herzzerreißenden, leidenschaftlichen oder erfreulichen Dinge bewusst ist, die in der Welt passieren und sie vollständig nach ihrem Bild formt. Das Malen dient nicht der Dekoration von Wohnungen. Es ist ein Kriegsinstrument. Offensiv und defensiv gegen den Feind.“ - Pablo Picasso

Die Forderung, daß „Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung“, schreibt Theodor Adorno 1966 in seinem Buch ‘Erziehung zur Mündigkeit’. Aber Es , die Hölle in der sich die menschliche Grausamkeit in ihrer unverhüllten Form darstellt, setzt sich nach 1945 weiter fort. Die Liste der Länder in denen ethnische Säuberungen, die Genozide, vorgenommen worden sind ist lang: Indien, Australien, Zanzibar, Nigeria, Biafra, Algerien, Argentinien, Guatemala, Serbien und viele weitere.

Es scheint, dass Erziehung den Zerstörungstrieb nicht beeinflussen kann, denn er basiert auf einer Wahnvorstellung, einer Überzeugung, die nicht in Frage gestellt werden kann, nämlich dass der monströse Andere ausgerottet werden muss.

Der Grössenwahn oder auch Mégalomanie genannt, gehört wie die Paranoia zu der Kategorie des Wahns. In der Politik wird er amplifiziert durch die Gruppenidentifikation mit dem Führer, der es durch seine überzeugenden Reden immer wieder schafft, den kindlich angelegten Grössenwahn im Subjekt oder sprechenden Wesen zu berühren. Das geht soweit, das selbst intelligente und gebildete Menschen die Lügen und Hirngespinste dieses Führers nicht hinterfragen sondern sogar ihr Leben für diese hingeben.

Hier ist der Inhalt mit der Stimme gekoppelt, letztere bezeichnet der Psychoanalytiker Jacques Lacan als Partialtrieb, beide gemeinschaftlich bilden das Paar der teuflischen Suggestion. Man muss sich nur Goebbels Rede, die er 1943 im Sportpalast in Berlin hielt, auf Youtube anschauen. Putins Stimme besticht dagegen nicht durch Theatralik, sondern ihre kalte Autorität, die die Mitglieder seines eigenen Kabinetts in Angstschweiss ausbrechen lässt.

Wie kann Kunst intervenieren? Was kann Kunst bewirken um das Ding, was in der kollektiven Überzeugung des Wahns ausgeblendet wird, nicht wahrgenommen werden kann, aber dennoch in seiner destruktiven Form wirkt, absolut und unweigerlich darzustellen? Martin Heidegger schreibt in seiner Abhandlung über „der Ursprung des Kunstwerkes”, das Kunst das Sich ins -Werk-Setzen der Wahrheit sei. Anhand des Beispiels von Van Goghs Bauernschuhen zeige sich was das Zeug (Ding) in Wahrheit ist, die Unverborgenheit des Seienden, die Griechen nennen es ‘Aletheia’.

In der aktuellen Ausstellung mit dem Titel „Aufmarschiert !“, „En avant ...Marche !”, „Oopmarcheert !”  habe ich Arbeiten von zwei Künstlern zusammengestellt, in denen sich der Stiefel, entweder mit oder ohne Filz als Leitmotiv zeigt. Was erhellt sich hier? „Aufmarschiert !” - ein autoritärer, militärischer Befehl, der keine Widerrede duldet. In der Galerie werden Bilder gezeigt, die man mit Krieg assoziieren könnte; es werden Struktur und Disziplin mit Chaos, Aggression, Gewalt, Lüge und Verblendung gegenübergestellt.
Die Kombination von Inhalt und Stimme wird durch das Abspielen von Musikstücken des Duos „Der Postmann und der Mann ohne Hund” unterlegt.

1. ‘Erziehung zur Mündigkeit’ ; Adorno, Theodor, Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker Suhrkamp, 1959 -1969
2. ‘Das Ich und das Es’, Metapsychologische Schriften, Freud, Sigmund, Fischer Verlag
3. ‘Der Ursprung des Kunstwerkes, Heidegger, Martin, Reclam Verlag, 1995